Das "Viertel Nach" - Ein Nachruf
„Lass uns im ,Viertel Nach’ treffen.“ – „Viertel nach was und vor allem wo?“ – „Hab ich doch gerade gesagt: im ,Viertel Nach’. Uhrzeit ist mir eigentlich egal.“ Den Dialog oder einen ähnlichen kennen wohl fast alle, die sich jemals für ein Treffen in einem gewissen Café im Univiertel verabredet haben. Künftig werden die Gespräche jedoch nicht mehr so ablaufen, denn seit Anfang Januar ist die Braunschweiger Gastronomielandschaft um eine Attraktion ärmer. Zum Jahreswechsel schloss das „1/4 Nach“ am Bültenweg seine Pforten – für immer. 25 Jahre lang bot die Kneipe (oder Café oder Bistro – je nach Tageszeit, versteht sich) in unmittelbarer Uni-Nähe Studierenden ein Refugium, wenn ihnen der Besuch von Seminaren und Vorlesungen aus welchem Grund auch immer schier unmöglich schien, sie dem Lern- und Schreibstress entfliehen oder einfach nur so den Tag rumkriegen wollten. Aber nicht nur der akademische Nachwuchs fand sich hier ein. Ein bunt gemischtes Publikum war im „1/4 Nach“ eigentlich immer garantiert. Semi-professionelle Snooker-Spieler beeindruckten und übertrumpften sich gegenseitig, während nebenan Billard-Dilettanten oder Fortgeschrittene den (nicht mehr ganz so neuen) grünen Filz malträtierten. Die hart arbeitende, der Uni bereits „entwachsene“ Bevölkerung traf sich zum Snack in der Mittagspause oder zum Arbeitsgespräch, während sich Lerngruppen am Stoff der nächsten Klausur oder dem bevorstehenden Referat abquälten. Nicht zu vergessen eine kleine, aber junge und aufstrebende Redaktion, die sich in endlosen Debatten über Blattplanung und Leitlinien den Kopf zerbrach. Die Müßiggänger holten einen Hauch von Wiener Kaffehaus-Atmosphäre nach Braunschweig – eine Kaffee-Kreation reichte bisweilen schon mal für zwei Stunden, schließlich gab es ja genügend Lesestoff zu bewältigen. Wieder andere schütteten sich gegenseitig ihr Herz aus oder luden an einem einzigen verregneten Novembertag den ganzen Weltschmerz auf sich oder plauderten einfach nur stundenlang. Dies geschah vornehmlich auf wackeligen Stühlen, einem abgewetzten Sofa, dessen Bezug seine besten Zeiten längst hinter sich hatte und zwischen Wänden, die durchaus auch mal wieder einen Anstrich verdient gehabt hätten. Aber Gemütlichkeit kommt schließlich nicht von ungefähr... Dass das „1/4 Nach“ mehr als nur ein Ort zur Verköstigung war, zeigte sich auch daran, dass selbst die Belegschaft gerne große Teile ihrer Freizeit dort verbrachte. „Savoir vivre“ schien überhaupt das inoffizielle Credo zu lauten und wenn der Sommer in unserer Stadt Einzug erhalten hatte, glich das „1/4 Nach“ eher einem südeuropäischen Straßencafé denn einer Kneipe in einer niedersächsischen Viertel-Million-Stadt. Dies alles soll uns also fortan nicht mehr vergönnt sein, und die einzigen Profiteure sind die „Eusebias“, „Herman’s“ und „Schüsseln“ dieser (Uni-)Welt. Was bleibt, ist das redliche Bemühen des ehemaligen Inhabers, den Verlust seines „1/4 Nach“ mit seinem zweiten Standbein, dem „Mc Murphy’s“, aufzufangen. Nur schade, dass man Kneipen nicht „verpflanzen“ kann.
Folko Damm