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Leserbrief

06/07/18 | Objektiv und Sachlich? - Zum Artikel über die Proteste in Frankreich - 02/06 + Antwort

Zunächst mal Glückwunsch zur gelungenen neuen Ausgabe der Buze. Die thematische Auswahl der Artikel mag nicht jedermanns Nerv treffen, trotzdem finde ich gerade die Vielschichtigkeit sehr interessant und lesenswert... weiter so!

Trotzdem bin ich von einem Artikel in der aktuellen Ausgabe regelrecht entsetzt. Es geht dabei um "Von Frankreich gelernt? Die Studierendenproteste im Sommersemester 2006". Zugegebenerweise ist der Artikel ziemlich geschickt geschrieben und er ruft nicht wirklich offen zu Protesten bzw. Protestaktionen gegen die Einführung von Studiengebühren aus, trotzdem bewegt er sich in meinen Augen hart an der Grenze.

Warum das? Naja, ganz einfach: Die Haltung zu Studiengebühren und Protesten für oder gegen diese ist die Entscheidung des Einzelnen und sollte ihm nicht vorgebetet werden. Befürworter von Studiengebühren werden sicherlich ihre Gründe dafür haben, ebenso wie die Gegner. Ob die Argumente beider Seiten nun sinnvoll oder stichhaltig sind liegt, so denke ich, im Auge des
Betrachters und es ist schwer dies global zu entscheiden.
So weit, so gut. Jetzt stellt sich einfach die Frage in welcher politischen Richtung eure Zeitung positioniert ist. Die Aufgabe der Medien ist die breite Masse aufzuklären und über aktuelle Geschehnisse zu unterrichten... sachlich und objektiv. Sicherlich gibt es eine Reihe von in Deutschland weit verbreiteten Printmedien die eben dieser Aufgabe nicht nachkommen, doch gerade von einer von Studenten getragenen Zeitung hätte ich anderes erwartet.
Wenn ihr nun aber (wie offensichtlich in diesem Artikel geschehen) euch doch auf eine politische Seite schlagt, warum kann man das dann nicht irgendwie kenntlich machen? In der momentanen Form hat es den Eindruck, als würde der Artikel die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Klar, der Name des Autors steht unter dem Artikel, man könnte es auch als persönliche Meinung werten... aber das ist bei jedem Artikel der Fall. Ich gehe also mal davon aus, dass die Redaktion die Meinung des Autoren "Johannes Gütschow" teilt.

Warum ist das nun also ein Problem? Naja, der Artikel sagt es zwar nicht glasklar, aber im Grunde ist es ein Aufruf zu Protesten gehen Studiengebühren. Noch schlimmer, tatsächlich sehnt sich der Autor sogar nach "entschlossneren" und "radikaleren" Aktionen. Weiter im Text gibt es dann zu, dass es auch "ein Ziel der Blockaden war [...] wirtschaftlichen Schaden" zu verursachen. Aber das kann doch hoffentlich nicht euer Ernst sein, oder?

Demonstrationen und andere Protestaktionen gegen was auch immer sind eine Sache. Man muss sie nicht befürworten, aber jeder Mensch in Deutschland hat das Recht seine Meinung frei zu äußern und gerade für die Demokratie ist das Aufrütteln und aufmerksam machen wichtig - sonst wählt tatsächlich jeder nur für seine eigenen Interessen und Minderheiten werden schlicht und einfach nicht beachtet. Billigend in Kauf genommen wird dabei meist die Einschränkung anderer Mitmenschen. Wenn beispielsweise ein Demonstrationszug quer durch die Stadt läuft, dann wird natürlich der Verkehr aufgehalten und andere Menschen müssen unter der massiven Meinungsäußerung der Demonstranten leiden. So weit, so akzeptabel, denke ich.
Wenn es jedoch Ziel der Proteste ist wirtschaftlichen Schaden zu verursachen, dann geht es in meinen Augen deutlich zu weit. Schaden zu verursachen (sei der nun wirtschaftlicher oder materieller Natur) kann doch nicht wirklich gewollter Teil von Protestaktionen sein, oder? Damit wird man niemals die breite Masse auf seine Seite ziehen, eher das Gegenteil wird der Fall sein.

Was mich an dem Artikel jedoch am meisten stört ist, dass er quasi die Meinung des ASTAs nachplappert ohne beide Seiten zu beleuchten oder aber kritisch zu hinterfragen. Genau das ist eben nicht sachlich und objektiv sondern stark parteiergreifend und damit - zumindest in meinen Augen - in eurer Publikation fehl am Platz. Sollte ich mich hier täuschen, so sagt bitte Bescheid...
Der ASTA vertritt in meinen Augen recht blind eine extreme politische Position und ist (meinem Eindruck nach) nicht daran interessiert die andere Seite zu verstehen oder bessere Lösungen zu präsentieren. Gerade aus diesem Grund ist es gefährlich diese Meinung blind weiter zu verbreiten.

Bevor ihr jetzt anfangt seitenweise Studiengebühren von beiden Seiten zu beleuchten: das wollte ich hiermit nicht erreichen. Es wäre jedoch nett, wenn persönliche Meinungen die nicht die Meinung der gesamten Redaktion darstellen entsprechend gekennzeichnet werden könnten.

Soweit,

Bastian Pöttner

 


Antwort des Artikelautors:

 Hallo Bastian,

zuerst muss ich mich für einen Fehler unsererseits entschuldigen. Der Artikel sollte als Kommentar gekennzeichnet sein, das ist aber irgendwie untergegangen. Du hast also Recht zu kritisieren, dass der Artikel so
den Eindruck erweckt, die Meinung der Redaktion wiederzugeben. Ich sehe trotzdem bei allen Artikeln der BUZe zuerst die jeweiligen Autoren in der Verantwortung, denn meine persönliche Meinung weicht durchaus stark von in Artikeln artikulierten Ansichten ab. Die Mischung von verschiedenen Inhalten und Meinungen ist gerade ein Grundgedanke des Konzepts der BUZe. Eine rein „objektive“ Berichterstattung ist meiner Meinung nach weder möglich noch sinnvoll. Objektivität einer politischen Debatte gegenüber würde eine starke Wiedergabe der beherrschenden Positionen ergeben, aber keine Objektivität dem Thema der Debatte gegenüber. Die ist aber nicht zu erreichen, denn bei der Bewertung eines Themas spielt die eigene Meinung eine große Rolle. Deshalb sollten Autoren immer darauf achten, auch ihre eigene Meinung ständig zu hinterfragen. Wichtig ist vor allem, dass die Leser den Hintergrund eines Artikels kennen, er ihnen nicht als „Wahrheit“ verkauft wird, sondern als Meinung oder selektive Wiedergabe von fremden Meinungen, die immer durch Ansichten der Autoren beeinflusst ist. Der Schein von Objektivität gibt den Lesern nur das gute Gefühl informiert zu sein und entbindet sie scheinbar von der Notwendigkeit, Informationen selbst reflektieren zu müssen. Ich sehe das Problem nicht darin, dass Zeitungen auch Meinungen vertreten, sondern darin, dass sie – besonders wenn sie sich an auf dem Thema weniger vorgebildete Menschen richten – vorgeben objektiv zu sein und so manipulativ werden.

Zum Inhalt möchte ich auch noch ein paar Worte verlieren: Welche Formen des Protest beziehungsweise Widerstands angemessen sind, ist in der Tat eine wichtige, aber auch eine nicht einfach zu beantwortende Frage. Der klassische friedliche Protest in Form von Demonstrationen, Petitionen, Bürgerinitiativen etc. wird von der Politik zunehmend ignoriert. Der Schritt hin zu radikaleren Aktionsformen wie Besetzungen und Blockaden ist ein Versuch die Aufmerksamkeit zu erzwingen und politische Prozesse außerparlamentarisch zu beeinflussen. Das Risiko steigt natürlich, sowohl für die Teilnehmer der Aktionen durch Festnahmen, Verletzungen, Berufsverbote etc., als auch für die Bewegung insgesamt durch Ablehnung der Aktionen durch die Bevölkerung. Dieses Risiko sind immer mehr Studierende bereit einzugehen, da sie die klassischen Protestformen als aussichtslos sehen.

Wirtschaftlichen Schaden sehe ich nicht notwendig als Problem. Für mich steht das geistige und körperliche Wohlergehen der Menschen im Vordergrund, und den vielproklamierten direkten Zusammenhang zur Wirtschaftswachstum sehe ich als nicht gegeben. Das Beispiel der Lohnkosten zeigt doch schon, dass ein Unternehmen dadurch erfolgreicher sein kann, dass es die Situation seiner Angestellten gezielt verschlechtert.

Die eventuelle Ähnlichkeit der vertretenen Meinungen mit im AStA-Info geäußerten Meinungen kommt übrigens nicht durch Abschreiben zustande, sondern liegt daran, dass ich Referent für Hochschulpolitik im AStA bin und auch für das AStA-Info schreibe.

Viele Grüße,
Johannes Gütschow