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Kategorie Politik
Ausgabe WS0607 - 4
Autor Johannes Gütschow

Studiengebührenboykott - Von Enttäuschungen und Erfolgen

Ausführlichere Onlineversion

Studiengebührenboykott – das klingt ja mal nach einer Abwechslung von Demos und Aktionstagen. Wirklich neu ist die Idee aber auch nicht. 1970 boykottierten 6000 Studierende der Hamburger Hochschulen die Zahlung der Studiengebühren. Es folgten bundesweite Aufrufe zu ähnlichen Aktionen, in deren Folge Studiengebühren flächendeckend abgeschafft wurden.

Neu ist der Boykott an sich also nicht, doch die Ausgangssituation ist heute eine völlig andere. War es Anfang der 70er-Jahre wirtschaftlich opportun, die Hochschulen zu öffnen, da auf dem Arbeitsmarkt Akademikermangel herrschte, sehen die Befürworter des Bezahlstudiums das heute anders. Nicht der Nutzen für die Gesellschaft, sondern der persönliche Nutzen der Hochschul(aus)bildung wird in den Vordergrund gestellt. Höhere Lohnerwartungen rechtfertigen dann hohe Kosten für die Ausbildung – im Sinne einer Investition in die eigene Zukunft, in das sogenannte „Humankapital“. Hochschulabsolventen haben nach wie vor unterdurchschnittliche Arbeitslosenquoten; in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ein weiterer Grund, trotz Studiengebühren die Hochschule einer Ausbildung vorzuziehen. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Boykott sind also wesentlich schlechter als 1970.

Bundesweit koordinierte Boykottinitiative

Trotzdem bildete sich Ende des Sommersemesters 2006 eine bundesweite Initiative zum Boykott der Studiengebühren. Über die Semesterferien wuchs die Zahl der beteiligten Hochschulen auf über 30 mit weit über 300.000 Studierenden. Die nötige Beteiligung, um Studiengebühren wirklich zu boykottieren, das Geld also auf dem Treuhandkonto zu belassen und (vorerst) nicht an die Hochschule zu überweisen, wurden meist auf 25-30% festgesetzt. Bei 300.000 Studierenden ergäbe das etwa die Zahl der Studierenden, die laut dem „Hochschulpakt“ zwischen Bund und Ländern bis 2020 mehr an deutschen Hochschulen studieren sollen.

Der Verlauf der Boykottkampagnen ist lokal sehr verschieden. An einigen Hochschulen ist die Rückmeldefrist bereits verstrichen, mit 6-30% variierte die Beteiligung am Boykott sehr stark. Als einzige Hochschule hat bis jetzt die HfG Karlsruhe das nötige Quorum erreicht.

Boykott an der TU gescheitert

Auch an den Braunschweiger Hochschulen sind die Situationen sehr unterschiedlich. An der FH gibt es keinen Boykott, er ist aufgrund der elektronischen Rückmeldung mit verpflichtendem Bankeinzug nur schwer möglich und wurde außerdem vom Studierendenparlament abgelehnt. An der HBK hat der Boykott gerade begonnen, die Frist läuft noch bis zum Ende der Vorlesungszeit. An der TU ist die Rückmeldefrist bereits abgelaufen, ohne dass das nötige Quorum erreicht wurde. Nur etwa 500 Studierende überwiesen ihre Studiengebühren auf das Treuhandkonto. Das Geld wird nun an die TU weitergeleitet.

Es stellt sich nun die Frage, wieso die Beteiligung an der TU so gering war. Ein Problem ist sicherlich, dass man die 500 € haben muss, um am Boykott teilzunehmen. Diejenigen, die besonders stark von Studiengebühren getroffen werden und keine 500 € haben um sie auf das Treuhandkonot zu zahlen, würden bei einem erfolgreichen Boykott zwar genauso behandelt wie diejenigen, die auf das Konto eingezahlt haben, zählen aber nicht offiziell als beteiligt. Wer einen NBank-Kredit aufnimmt, kann sich nicht beteiligen, da der Kredit direkt an die Hochschule überwiesen wird. Ein weiterer Grund ist die hohe Skepsis gegenüber dem Boykott. Angst vor Exmatrikulation und mangelndes Vertrauen in den Anwalt und den AStA wurden oft als Gründe gegen die Beteiligung genannt. Die Aussichten auf Erfolg wurden teils als so gering eingeschätzt, dass eine Beteiligung der Mühe nicht wert wäre.

Erfolge

Dabei hat der Boykott bereits lange vor der dem Ablauf der Frist erste Erfolge gezeigt. Die Frage der ausländischen Studierenden, die nicht einmal einen Kredit aufnehmen dürfen, wurde in das Bewusstsein der Hochschulleitung und der Öffentlichkeit gebracht. Die Hochschule kümmert sich nun um Stipendien und verlängerte Zahlungsfristen für ausländische Studierende. Die Braunschweiger Zeitung hat zusammen mit der Evangelischen Studierendengemeinde eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Nur Wissenschaftsminister Stratmann sieht weiterhin keinen Handlungsbedarf. Er lud zwar alle niedersächsischen ASten zu einem Gespräch ein, aber nur um zu erfahren, wie Studiengebühren an den Hochschulen verwendet werden. Der Boykott hat eine breite Unterstützung in der Gesellschaft erfahren. Gewerkschaften, Bundestagsabgeordnete und Menschen aller Berufe und Altersgruppen signalisierten ihre Unterstützung. Fast scheint es, als erfahre der Boykott in der Gesellschaft mehr Unterstützung als bei den Studierenden selbst. Sollten große Teile der Studierenden die Gebühren tatsächlich akzeptieren, wäre das ein Zeichen dafür, dass die Trennung der gesellschaftlichen Schichten im Bildungssystem bereits weit fortgeschritten ist.

Ob der Boykott an der HBK einen ähnlichen Verlauf nimmt wie an der TU, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. An der relativ kleinen HBK lassen sich Fragen eher durch persönliche Gespräche klären. Das schafft Vertrauen in den Boykott. Andererseits sind etwa die Hälfte der Studierenden der HBK auch an der TU immatrikuliert und haben dort ihren Fächerschwerpunkt. Sie zu erreichen wird schwierig.

Die Situation ist günstig

Wie es mit dem Boykott in Braunschweig im nächsten Semester weitergeht, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Ob sich noch genug motivierte Leute finden, um einen neuen Boykottversuch zu starten, hängt auch vom Erfolg des Boykotts an der HBK und an anderen Hochschulen ab. Auch wenn das Quorum an der TU nicht erreicht wurde, hat der Boykott trotzdem kleine Erfolge gebracht. An der HBK ist noch alles offen. Die Öffentlichkeit ist auf Seiten der Studierenden wie schon lange nicht mehr. SPD und Grüne gehen mit dem Versprechen in den Landtagswahlkampf, Studiengebühren abzuschaffen. Jetzt aufzugeben, hieße auch eine günstige Situation zu verpassen.

Johannes Gütschow