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Kategorie Aus den Fakultäten
Ausgabe WS0607 - 4
Autor Fabio Reinhardt

Nur ein Kavaliersdelikt? - Plagiate an der TU

Plagiat (frz., von lat. plagium, "Menschenraub"): geistiger Diebstahl, also vollständige oder teilweise Übernahme eines fremden literarischen, musikal. oder bildnerischen Werkes in unveränderter oder nur unwesentlich geänderter Fassung unter Vorgabe eigener Urheberschaft [...] Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 1992

Im Internetzeitalter nehmen Möglichkeiten und Versuchungen für Studierende, Texte nicht mehr eigenhändig zu verfassen, sondern sie sich mal eben auf die Schnelle irgendwoher zu besorgen ständig zu. Dabei kann man natürlich Kleinigkeiten wie ein nicht kenntlich gemachtes Zitat nicht mit schwerwiegenderen Vergehen wie einer "geborgten" Diplomarbeit gleichsetzen. Doch gerade bei letzterem scheint in letzter Zeit die Zahl deutlich zuzunehmen. Inzwischen aber richtet sich die Waffe der Wahl der Internetsünder gegen sie selbst. Neueste Software wie das bekannte Programm Docoloc gibt der Professorenschaft die Gelegenheit, copy/paste-Sündern sicherer und einfacher auf die Schliche zu kommen als jemals zuvor. Um einen besseren Einblick in die Sichtweise der Dozenten auf das Problem zu bekommen, fragte BUZe Lehrkräfte der Fakultäten 1 und 6 nach deren Meinung zu dem Thema Plagiate.

„Manch einer kann seine eigene Sätze nicht erklären“

Dabei wurde uns subjektiv ein deutlicher Anstieg von Plagiatsfällen über die letzten Jahre insgesamt attestiert. Subjektiv natürlich deswegen, weil man ja nicht sagen kann, ob die höhere Anzahl an aufgedeckten Betrugsversuche nun auf die verbesserten Aufspürmöglichkeiten oder auf eine Veränderung des Umgangs mit den neuen Medien zurückzuführen ist. Fakt ist aber, dass der Umgang der Professorenschaft mit dem unangenehmen Thema sich deutlich gewandelt hat. Professor Thomas Sonar von der Mathematik war laut eigener Aussage sehr enttäuscht, im letzten Jahr bereits den zweiten Fall eines Betrugs in einer Diplomarbeit entdecken zu müssen. Nach einem vorherigen Verdacht wurde bei der chinesischen Diplomandin das Docoloc-Programm angeworfen, und dieses gab Alarm. Auch bei seiner Vorlesung lebt er in Sorge, dass ihm jemand etwas unterjubeln könnte. „Dabei geht es nur um Essays von nicht mehr als zehn Seiten.“ Markus Krosche, ehemaliger Assistent aus der Informatik berichtet: „Bei den Lehrveranstaltungen, die ich betreut habe, geht es darum, ein Thema zu erfassen und mit eigenen Worten wiederzugeben. Dabei bin ich leider schon sehr oft enttäuscht worden durch Arbeiten voller Stellen, die ohne Referenz aus der Literatur kopiert wurden. Manchmal wissen die Leute gar nicht genau, was sie da eigentlich kopiert haben. Dann können die ihre eigenen Sätze nicht erklären".


Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgegoogelt

Dr. Thorsten Beigel vom Historischen Seminar erkärt, es sei besonders in der Anfangszeit des Internets schwierig gewesen, jemanden zu erwischen. „Da hatten wir ja auch selber nicht so viel Ahnung. Wenn sich jemand bei irgendeiner Internetseite etwas runtergeladen hat, war das demjenigen kaum nachzuweisen. Künftig wollen wir am Historischen Seminar aber alle Arbeiten stichprobenweise durch das Docoloc-Programm überprüfen lassen.“ Und das hat sogar Einblick in die Backend-Bereiche von den diversen Bezahlseiten.

„Ich möchte aber dennoch betonen“, fährt Beigel fort, „dass kein Generalverdacht gegenüber allen Studierenden besteht. Es ist natürlich immer noch nur ein Bruchteil der Studierenden, der sich für die Abkürzung entscheidet. Dass sich uns eine veränderte Haltung dem Thema gegenüber aufdrängt, ist höchst unangenehm - und das nicht nur wegen des immensen Zeitaufwands, den uns das jedesmal kostet".

Im Extremfall droht der Ausschluss aus dem Fach

Beim Umgang mit Plagiaten sind mehrere Faktoren zu beachten. Laut Beigel sind Ausmaß und Vorsatz entscheidend. Wenn ganze Kapitel oder gleich die ganze Arbeit übernommen wurden, droht im Extremfall der Ausschluss aus dem Fach - ohne eine Möglichkeit, sich wieder einzuschreiben. Wer lediglich einmal eine Fußnote vergisst, muss aber selbstverstänlich nicht gleich mit der Höchststrafe rechnen. Bei geringfügigen Verstößen, die keinen Vorsatz erkennen lassen, bleibt für den Überführten alles wie gehabt: Er wird ermahnt, muss die Arbeit überarbeiten und gelobt sich zu bessern. Dafür sieht Markus Krosche von der Informatik aber wenig Chancen: „Das ganze war sehr frustrierend, weil diese Kopier-Studierenden in der Regel 'beratungsresistent' sind und sie es üblicherweise beim nächsten Mal, bei einem anderen Kollegen, wieder auf die gleiche Tour versuchen.“ Für Professor Sonar spielt Einsichtigkeit eine große Rolle beim Entscheiden über das Strafmaß. Auch der Hintergrund der Tat und die Herkunft spielen eine Rolle. Wenn ein Studierender erkennt, dass er einen Fehler gemacht hat und sein Verweis vielleicht auch noch gravierende soziale Probleme aufwerfen würde, wird eher eine zweite Chance gewährt. Dass Plagiate möglicherweise ein Problem sind, das bei Ausländern durch Misskommunikation verstärkt auftritt, möchte Sonar jedoch so pauschal nicht unterschreiben.

Wer schlecht fälscht, wird erwischt. Wer gut fälscht, kann die Arbeit auch selbst schreiben

Einen uniweiten Standard zum Umgang mit Plagiaten gibt es noch nicht. Eine fachübergreifende Richtlinie ist aber in der Mache. Dabei werden die Sanktionsmöglichkeiten der veränderten Situation angepasst. Tendenziell könnte sich unsere Situation womöglich irgendwann immer mehr den amerikanischen Verhältnissen angleichen. Dort werden auch kleinere Betrügereien schon mit einem Univerweis und teilweise sogar mit einem zusätzlichen Strafverfahren geahndet.

In ihrem Unverständnis gegenüber Plagiaten waren sich alle Befragten einig. „Wenn jemand kopiert,“ so Beigel, „kopiert er meist schlecht und wird erwischt. Wenn jemand genug Ahnung vom Thema hat, um eine überzeugendes Plagiat hinzubekommen, dann hat er auch genug Fachwissen, um gleich selbst die Arbeit zu schreiben.“ Sonar ist sich sogar sicher, dass sich am Ende eh nur die eigene Arbeit auszahlt. Frei nach dem Motto: „Ehrlich währt am längsten“.

Fabio Reinhardt