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Kategorie Aus den Fakultäten
Ausgabe WS0607 - 4
Autor Fabio Reinhardt

Der OrWi - ein Kompromiss mit Klassenfeeling

Der im Wintersemester 2006 eingeführte „Master für Organisationskultur und Wissenstransfer“ (kurz OrWi) ist durch die Kooperaton zweier Fakultäten entstanden. Involviert waren dabei die Erziehungswissenschaften der Fakultät 1 und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Fakultät 8). Letzere waren zwar maßgeblich an der Planung beteiligt, Studierende aus ihrem Fachbereich werden in dem Studiengang jedoch in den nächsten Jahren noch nicht begrüßt werden können. Der Bachelor-Studiengang „Integrierte Sozialwissenschaften“ ist nämlich zur gleichen Zeit wie der Master angelaufen und dauert die üblichen drei Jahre. Der Master wird also bis voraussichtlich 2009 quasi ausschließlich aus Erziehungswissenschaftlern bestehen. Aktuell entstammen 20 der 23 OrWi-Studierenden dem Ein-Fach-Bachelor der Fakultät 6. Die übrigen wurden aus dem Umland abgeworben.

Die Art der Zusammenschneidung sei, laut Professor Dr. Ulrich Menzel, der an der Planung seitens der Fakultät 8 beteiligt war, aus der Notwendigkeit entstanden, Kompromisse einzugehen. Zur Entstehungsgeschichte erklärt er: „Es war klar, dass nicht jedes Fach seinen eigenen Master bekommen kann. Dafür sind die Kapazitäten ganz einfach nicht ausreichend. Der Lehramtsmaster stand ja schon fest, und die Geisteswissenschaftler haben sich den KuTeWe [Kultur der technisch-wissenschaftlichen Welt] gesichert. Dementsprechend mussten wir uns nach Möglichkeiten umschauen. Und die Pädagogen standen zum Wintersemester unter Zugzwang.“

Die Voraussetzung zur Zulassung ist ein Bachelor oder äquivalenter Abschluss. Wer nicht von der TU kommt, muss sich noch einem Auswahlverfahren und einem Gespräch stellen, um sich einschreiben zu können.

Die Dauer des Studienganges beträgt zwei Jahre, abgeschlossen wird er durch eine Master-Arbeit im vierten Semester. Selbige dauert drei Monate, während denen keine weiteren Veranstaltungen vorgesehen sind. Dies markiert einen Unterschied zur Bachelor-Arbeit, die zwar in nur sechs Wochen, jedoch mitten im Semester geschrieben erden muss.

Einseitige Kursvorlieben

Trotz der asymmetrischen Besetzung besteht der Inhalt des Studienganges aus gleichberechtigten Anteilen beider Fachbereiche – für die ca. 90% Geistes- und Erziehungswissenschaftler bedeutet dies ein Crashkurs in einem ihnen überwiegend unbekannten Fach. Dementsprechend verhalten war auch das Interesse am Schreiben einer Klausur in der Vorlesung „Internationale politische Ökonomie“ bei Professor Menzel. Sobald klar wurde, dass der Erwerb der nötigen Credits auch in anderen Seminaren möglich war, hagelte es Abmeldungen. Die Basiskurse für Neulinge im Pädagogikbereich finden dagegen kaum Abnehmer.

Welche Interessen sollten ausgehende Bachelor-Studierende nun haben, damit der OrWi die richtige Fortführung ihres Studiums für sie darstellt?

BUZe fragte nach bei der zentralen Studienberatung (ZSB). Reinhard Böhm von der ZSB sieht das ganze etwas pragmatischer: „Wenn sich jemand für eine gesunde Kombination aus Pädagogik, Psychologie und Sozialwissenschaften interessiert, dann ist der OrWi genau das richtige für ihn." Von der Ausrichtung und den Berufsperspektiven gelte, so Böhm, für den OrWi genau das gleiche wie für den KuTeWe und frühere fachwissenschaftliche geistes- und sozialwissenschaftliche Studiengänge: „Es gibt ganz einfach keinen offensichtlichen Markt für Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge. Man muss sich“, so Böhm weiter, „seine Berufsaussichten schon selbst erarbeiten. Die Arbeitgeber stehen halt nicht Schlange – eigentlich gibt es sie erstmal noch gar nicht. Stattdessen gilt es, Nischenbereiche zu besetzen.“

Studieren mit Klassenfeeling“

In Fällen wie der oben genannten kurzfristigen Änderung bei der Klausur ist die absurde Situation, dass der Studiengang bei Redaktionsschluss noch immer ohne fertige Prüfungsordnung studiert wird, natürlich von Vorteil. Bei Nichtgefallen können Regelungen einfach geändert werden. Die Bereitschaft der Lehrenden zu kurzfristigen Kompromissen wurde dabei von Studierenden positiv aufgenommen. Silja Krösche beispielweise lobte besonders das Interesse der Lehrenden an der Stimmung unter den Studierenden. Diese festzustellen, ist natürlich auch einfacher in einer so kleinen Gruppe, deren Kurse bis auf die oben genannte Vorlesung sogar exklusiv für die OrWis abgehalten werden. Manchmal komme dabei, laut Kommilitonin Anna Hölscher, schon ein "ziemliches Klassenfeeling" auf. Beide gehen Mitte Januar für ein Semester ins Ausland. Dementsprechend dankbar waren sie über die Kooperationswilligkeit von Seiten der Dozenten. Klausuren wurden extra vorgezogen und Termine geändert. Auch die Kommunikation unter den Studierenden sei sehr gut. Die eigene Mailingliste sei aufgrund der schnellen Mund-zu-Mund-Information kaum nötig.

Rosige Berufsaussichten?

Schon der Name zeugt von dem Kompromiss, den der Studiengang darstellt. Das sozialwissenschaftliche Element der Funktionsweise von Organisationen und ihrer Steuerung steckt in dem Wort "Organisationskultur", während „Wissenstransfer“ Evaluation und Weitergabe von Wissen symbolisieren soll. Nach einer Angleichung der Wissensstände im ersten Semester diene das folgenden Jahr, so verrät die Webseite, der Spezialisierung in einer der beiden Bereiche, gefolgt von einer Abschlussarbeit im vierten und letzten Semester. Qualifizieren soll der Studiengang für Tätigkeiten in jeder Art von Organisation. Zum Beispiel Unternehmen, Parteien, NGOs, Kirchen und Verbände. Die Aufgaben sind vor allem Bewertung und Verbesserung von Steuerungsmechanismen und Strukturen, Konzeptbewertung und -entwicklung und oft auch, so betonte Menzel weiter im Interview, innerbetriebliche Weiterbildung, z.B. bei VW-Coaching.

Probleme durch späte Prüfungsordnung

Doch die unsichere Situation führt auch zu Problemen. Aufgrund der kurzen Dauer des Studienganges sei es zum Beispiel notwendig, sich frühzeitig um Praktikums- und Masterarbeitsplätze zu bemühen. Und dies, so die Kritik einiger Studierender, sei durch die fehlenden Richtlinien erschwert. Auch die schlechte Kommunikation zwischen den Fakultäten wurde bemängelt. Wenn man sich mit Dozenten in einem Fachbereich auf eine Vorgehensweise einige, heiße das nicht automatisch, dass dies auch im anderen gelingt. Der Wunsch nach mehr Harmonie zwischen den Fakultäten wurde ausdrücklich geäußert.

Noch zweieinhalb Jahre Reifeprozess?

Ein Gesamtfazit muss dementsprechend von der Ambivalenz der Situation geprägt bleiben. Während die grundsätzliche Bereitschaft der Dozenten, auf die Wünsche der Studierenden einzugehen, allseits anerkannt wurde, kann auch dieses Entgegenkommen die Probleme, die durch die fehlende Prüfungsordnung entstehen, in manchen Fällen nur unzureichend ausgleichen. Der früheren Vielfalt der geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengänge mit ihren über tausend möglichen Fächerkombinationen wurde durch die konsequente BA/MA-Umstellung nun endgültig ein Riegel vorgeschoben.

Abgesehen von der minimalen Akzentsetzung im zweiten Semester sind die Inhalte komplett vorgegeben. Auch die neue Regelung, dass man nicht mehr in jedem Fach eine Prüfungsleistung erbringen muss, kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der Studiengang extrem verschult wirkt. Über die Auswirkungen auf die beruflichen Perspektiven, die sich laut ZSB kaum gegenüber denen der alten Studiengänge verändert hätten, kann nur spekuliert werden. Ob tatsächlich sämtliche Verbände und Organisationen bereits sehnsüchtig auf die Absolventen warten, wie Prof. Menzels sicherlich etwas übertrieben optimistisch andeutete, sei dahingestellt.

Während das Konzept jedoch eigentlich viel Potenzial hat, bleibt die einseitige Inanspruchname durch Studierende der Geistes- und Erziehungswissenschaften in diesem fachübergreifenden Kompromiss bis auf Weiteres ein Problem. Der mögliche positve Nebeneffekt des Von-den-Anderen-Lernens muss sich bis zum Abschluss der ersten sozialwissenschaftlichen Bachelor gedulden. Sollte sich der Studiengang also nicht noch überregional herumsprechen und bald größerer Beliebtheit erfreuen, bleibt nur festzustellen, dass der OrWi wohl mindestens drei Jahre brauchen wird, um seinen Kinderschuhen zu entwachsen.

Fabio Reinhardt

Weitere Informationen zum Studiengang und ein direkter Link zur Online-Bewerbung finden sich hier.