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Kategorie Feuilleton
Ausgabe WS0607 - 3
Autor Larissa Wille

Das Studi-Verzeichnis - Ein Phänomen schafft den Durchbruch

Das Sich-Kennenlernen und das Kontakthalten haben in diesem Frühjahr eine neue Untergrenze der Komfortabilität erreicht. Telefonnummern erfragt man nicht mehr in der Disco, Emailadressen nicht mehr unter universitären Vorwänden und über Hobbies und Freunde weiß man schon vor dem ersten Gespräch bescheid. Denn nun gibt es das Studi-Verzeichnis.

Immatrikulieren darf sich jeder, der Student ist.
Oder eben, wer es nur behauptet zu sein; so taucht zum Beispiel ein gewisser Harry Potter als Mitglied in diversen Gruppen auf, und der ist erstens fiktiv und zweitens zu jung zum Studieren. Somit ist diese Plattform also im Endeffekt offen für jeden, der eine gültige Emailadresse besitzt. Abgesehen davon, dass man eine gehörige Portion Exhibitionismus mitbringen sollte - wer seine Seite komplett mit Profil und zugehörigen Fotoalben ausstattet, gibt eine Menge von sich Preis - kann man durch Europas größtes Studierendennetzwerk und seine Konkurrenz auch etwaige Stalking-Neigungen ausleben. In Gruppen und per Suchfunktionen trifft man auf Gleichgesinnte oder alte Freunde, die man sonst womöglich nie oder nie wieder kontaktiert hätte.
So innovativ und aufregend neu wie das StudiVZ auf uns deutsche Studentler wirkt, ist es freilich nicht. Wie so oft ist das Vorbild in den USA zu finden. Dort ist die Form der Hochschulvernetzung über Online-Communities bereits seit 2003 extrem erfolgreich. Auf Seiten wie my.space oder facebook perfektionieren amerikanische Studierende schon lange den Seelenstriptease und pflegen Freundschaften. Über 90% von ihnen sind bei facebook angemeldet. Die meisten schauen täglich vorbei. Gerade facebook wird so manchem StudiVZ-Nutzer sehr bekannt vorkommen. Die Gründer des deutschen Äquivalents, bestehend aus dem VWL-Studenten Ehssan Dariani, dem Informatikstudenten Dennis Bemmann und dem Betriebswirtschaftler Michael Brehm, haben sich sowohl von der Gestaltung als auch von den Kategorien der Originale inspirieren lassen.


Neben der Pflege neuer und alter Kontakte können die Nutzer diversen Gruppen beitreten sowie selbst neue gründen. Den angemessenen Grad an Aktivität entscheidet jeder für sich – es ist möglich, Gruppen beizutreten und in deren Foren nicht ein Wort von sich zu geben oder aber die Diskussionen aktiv mitzugestalten. Einziges Limit, das einem gesetzt wird, ist die maximale Anzahl an Gruppen, denen man beitreten darf. Bei 100 ist nämlich Schluss. So müssen ganz eifrige Gruppensammler sich zwischen der IKEA-Frühstücksgruppe, diversen studienangelehnten Zusammenschlüssen, Foren zu ihren Vor- oder Nachnamen und kreativ titulierten Gruppen à la „sollte drei Hausarbeiten schreiben, bin aber immer im StudiVZ“ entscheiden. Durchschnittlich verbringen die regelmäßigen Nutzer 20 Minuten pro Tag auf den Seiten der Online-Community. Davon, Gerüchten zufolge, mehr Frauen als Männer, weil man so herrlich die Fotos und Hobbies der kürzlich geschlossenen Disco- oder Kursbekanntschaften mit den Freundinnen vergleichen und bewerten kann. Obwohl die Suchfunktion, mit der man andere Singles an der selben Uni finden kann, sicherlich auch die männlichen Nutzer anspricht und ihren Jagdinstinkt weckt. Zur nachrichtenunabhängigen Kontaktaufnahme wurde das Gruscheln erfunden. Angelehnt an die poke-Funktion (poke = anstubsen) bei facebook kann man so Grüßen und Kuscheln verbinden.

Durch Mundpropaganda hat das Netzwerk seine große Popularität erlangt. Auch an unserer Uni nutzen mittlerweile sehr viele das StudiVZ und empfehlen es ihren Freunden und den neuen Studierenden. Zum Vorteil gereicht das Portal vor allem den Erstis und ausländischen Studierenden, die nun viel einfacher Kontakte knüpfen, Sprach- und Lernpartner finden oder ihre Mitstudenten kennen lernen können.

Mit bisher 800.000 Mitgliedern, von denen sich die meisten mindestens einmal am Tag einloggen, muss das StudiVZ den Vergleich mit den amerikanischen Vorbildern nicht scheuen. Dariani verkündete so ganz nebenbei, dass über 10.000 Studenten täglich der großen Studi-Familie beiträten. Auch in Zukunft soll das Studi-Verzeichnis ein kostenloses Medium bleiben, das die Studierenden Deutschlands verbindet.

Nach Durchsehen all dieser Zahlen bleibt jedoch zu vermuten, dass das große Werbepotential dieser viel genutzten Plattform nicht lange von der Wirtschaft unentdeckt bleiben wird. Die amerikanischen Vorbilder beheimaten schon lange Werbung oder Gruppen von Sponsoren. Auch eine extreme Wertsteigerung, die sogar die laut eigener Stellungnahme nicht profitorientierten Erfinder in Versuchung führen könnte, kann nicht ausgeschlossen werden. Dann könnte mit dem StudiVZ das gleiche geschehen, wie jüngst bei Googles Milliardendeal mit der vormals werbefreien Video-Plattform YouTube. Bislang versichern die Macher des StudiVZ jedoch, dass eventuelle Werbung unauffällig in das bestehende Design eingebunden werden und nicht in Form von nervigen Pop-ups oder ähnlichem auftreten werde.