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Kategorie Politik
Ausgabe SoSe08 - 9
Autor Johannes Gütschow

Für Forschung oder Lehre? - Die Debatte um die Ausrichtung der NTH

Vor einem Jahr berichtete die BUZe über das Projekt Niedersächsische Technische Hochschule, kurz NTH. Seit dem hat sich einiges getan, zumeist hinter den Kulissen. Ein Gesetzentwurf liegt auf dem Tisch, eine Begründung dazu und der stückhafte Entwurf eines Kooperationsvertrages zwischen den Unis.

Doch zunächst eine kleine Wiederholung: Die NTH soll aus einer Kooperation der drei Unis Clausthal, Hannover und Braunschweig in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern bestehen. Zwischenzeitliche Fusionspläne der Landesregierung sind in den Müll (oder zumindest zurück in eine dunkle Schublade) gewandert, die Unipräsidenten hätten nicht mitgemacht. Die Schwerpunkte in der Forschung sowie das Lehrangebot sollen zwischen den Unis abgeglichen werden.

Ein erster Effekt dieser Pläne ist die Kürzung der Physik in Braunschweig um 30%. Statt der angekündigten Verschiebung der Physikprofessuren nach Hannover im Austausch gegen Teile des Bauingenieuwesens wurden die freiwerdenden Professuren allerdings intern für das mit VW zusammen gegründete „Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik“ verwendet. Statt theoretischer Physik wird jetzt mit der Professur für Automobilwirtschaft die Absatzsteigerung von Automobilen auf universitärem Niveau erforscht.

Inhaltlich regelt das Gesetz vor allem die Gründung einer neuen Universität, der NTH. Die Universität wird keine eigenen Mitarbeiten und höchstens Promotionstudierende bekommen. Sie soll aber Forschungsförderungsanträge stellen können. Gelenkt wird sie durch ein Präsidium bestehend aus den drei Unipräsidenten und zwei „hochrangigen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung oder Rechtspflege“, die vom Ministerium vorgeschlagen werden. Weitere Kernpunkte, die auch den Unileitungen sehr zusagen, sind die Übernahme der Bauherreneigenschaft vom für teure und langsame Planungen verschrienen staatlichen Baumanagement sowie die Möglichkeit, Rufe an ProfessorInnen selbst zu erteilen. Bisher war das Ministerium dafür zuständig.

Ein wichtiger Punkt ist die Entscheidungsfindung im Präsidium der NTH. Entscheidungen können auch gegen den Willen eines Unipräsidenten getroffen werden. Wenn Hannover und Clausthal gemeinsam mit einem der externen Mitglieder beschlössen, die Architektur in Braunschweig zu schließen, bliebe dem Braunschweiger Präsidenten nur noch der Bettelgang zum Ministerium, das Entscheidungen, bei denen eine Uni überstimmt wurde, absegnen muss. Da das Präsidium vermutlich weder öffentlich tagen, noch der Öffentlichkeit zugängliche Protokolle der Sitzungen zur Verfügung stellen wird, ist es aber genauso vorstellbar, dass sich alle Präsidenten einig sind und am Ende nur derjenige, dessen Uni die beschlossenen Kürzungen tragen muss, erklärt, er haben dagegen gestimmt. So wird eine transparente Entscheidungsfindung verhindert, und unangenehme Entscheidungen können nach oben delegiert werden, um sich auf diese Weise dem Unmut der Betroffenen zu entziehen.

Überhaupt zeichnet sich die NTH nicht gerade durch einen Ausbau partizipativer Strukturen aus. Der NTH Senat bekommt kaum Befugnisse. Die externen Präsidiumsmitglieder können nicht vorzeitig entlassen werden. Nach der Stärkung der lokalen Präsidien durch die Novelle des niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) im Jahr 2007 wird nun eine weitere übergeordnete Instanz mit weitreichenden Rechten geschaffen. Umstrukturierungen und Schließungen einzelner Fächer, die bei der letzten Kürzungsrunde, dem Hochschuloptimierungskonzept (HOK), noch am Widerstand der Fachbereiche scheiterten, können nun durch NTH und lokale Präsidien einfach beschlossen werden.

Den politischen Blick auf die NTH macht die Begründung des Gesetzentwurfs erkennbar. Schon der erste Satz zeigt eindeutig, worum es geht: „Der zunehmende nationale und internationale Wettbewerb, in dem sich Hochschulen sowohl untereinander als auch gegenüber außeruniversitären Forschungseinrichtungen befinden, erfordert besondere Maßnahmen, um erfolgreich zu agieren [...].“ „Mit der NTH soll Niedersachsen im Wettbewerb um überregionale und europäische Forschungsfördermittel leistungsfähiger werden [...].“ Die NTH ist ein Produkt der zunehmend konkurrenzorientierten Ausrichtung der Hochschullandschaft. Bei ihrer Ausdifferenzierung in Elite- und Massenuniversitäten soll für Niedersachsen natürlich auch eine Eliteuni rausspringen. Für die Studierenden soll durch die NTH eine „größere Wahlfreiheit“ und ein „gegenüber den Einzelstandorten fachlich wesentlich breiteres [...] Angebot“ geschaffen werden.

All diese Planungen finden im Moment im kleinen, vertraulichen Kreis von Unileitungen und Ministerium, dem sogenannten NTH-Lenkungskreis, statt. Studierende und Mitarbeiter der Unis haben kein Mitspracherecht und werden kaum informiert. Die oben erwähnten Dokumente sind nicht öffentlich zugänglich, sondern mit der Zeit durchgesickert.

Um den Umgang mit diesem Informationsdefizit und der NTH im Allgemeinen zu diskutieren fand am 9. und 10. Mai im AStA der TU ein Arbeitstreffen statt. Neben AStA-Mitgliedern und Fachschaftern (und einem BUZe Redakteur) aus Braunschweig nahmen auch Studierende aus den ASten der Uni Hannover und der TU Clausthal teil.

Die meisten Anwesenden waren der Meinung, dass die NTH beschlossene Sache und in der Praxis nur noch die Frage der Umsetzung zu klären wäre. Bei einem sinnvoll umgesetzten NTH-Prozess könnten sich große Vorteile für die Studierenden ergeben, die die Nachteile überwiegen würden. Deshalb müsse man eine möglichst starke Beteiligung der Studierenden am NTH-Prozess erwirken. Studentische Mitbestimmung ist in der NTH jedoch bis jetzt weitgehend ungeregelt und im NTH-Prozess gar nicht vorgesehen. Jedes Präsidium lässt verlauten, man mache sich für eine studentische Mitbestimmung stark, doch die anderen Hochschulen würden sich sperren. Außerdem sollte die Beteiligung auch wirkliche Mitbestimmung ermöglichen. Daraus ergab sich der Vorschlag, die Mitbestimmung, ähnlich wie bei der Verteilung der Studiengebühren an der TU, an die Einrichtung eines zur Hälfte mit Studierenden besetzten Gremiums, das zu allen Fragen von Studium und Lehre gehört werden muss, zu koppeln.

Sollte diese strukturelle Forderung erfüllt werden, kämen die abgesteckten inhaltlichen Ziele zum Tragen. Eine Harmonisierung der Studiengänge, die Möglichkeit zum einfachen Uniwechsel und das Belegen auch einzelner Vorlesungen an anderen NTH-Standorten sind die Kernforderungen – alles offiziell auch von den Hochschulen angestrebte Ziele. Unstrittig sollten auch die Forderungen sein, die Mobilität der Studierenden zu sichern und Angebote wie Mensa und Sport für alle NTH Studierenden gleichermaßen nutzbar zu machen. Für mehr Zündstoff dürften die Forderungen sorgen, einen eigenen Tarifvertrag für studentischen Beschäftigte einzurichten, bei Berufungen einen Fokus auf die Lehre festzulegen und die Hälfte der 25 Mio. Euro, die für die NTH in einem Fördertopf des Landes reserviert wurden, für die Lehre auszugeben.

Bis zum Start der NTH per Gesetz, momentan für Ende 2008 geplant, ist also noch viel zu tun. Ob eine Mitbestimmung der Studierenden zustande kommt, ist derzeit nicht abzusehen. Die Probleme bei der Einführung von Bachelor und Master, die oft von Studierenden (z.B. aus den Fachschaften) schon im Vorfeld angesprochen, aber von einigen ProfessorInnen so lange wie möglich ignoriert wurden, haben gezeigt, dass Studienreformen ohne substanzielle Mitbestimmung der Betroffenen keine Perspektive haben. Die Unileitungen täten also gut daran, ihre Blockadehaltung aufzugeben und die Studierenden in die Planung einzubeziehen – zumal es nicht selbstverständlich ist, dass diese zur Mitarbeit an einem politisch heiklen Projekt wie der NTH bereit sind. Doch auch mit den Studierenden ist ein positives Ergebnis des NTH-Prozesses nicht sicher, denn die primäre Ausrichtung der NTH auf Forschungsförderung ist offensichtlich. Die BUZe bleibt jedenfalls dran.