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Kategorie Aus den Fakultäten
Ausgabe WS0708 - 8
Autor Sonja Uphoff

Anyonen sind anders - Quantentheorie an der Technischen Universität

Was unterscheidet eigentlich ein Elektron von einem Lichtteilchen? Klar, Elektronen haben eine elektrische Ladung, Licht nicht. Elektronen haben Masse, Licht nicht. Ein weiterer Unterschied, und um diesen wird es hier gehen, sind die statistischen Eigenschaften: Es geht darum, was passiert, wenn man zwei Teilchen tauscht. Man stelle sich vor, auf einem Tisch lägen zwei rote Kugeln. Wenn ich sie einfach beide austausche, liegt die erste rote Kugel an der Position der zweiten roten Kugel und umgekehrt. Logisch. Bei Quanten, so wie Licht und Elektronen, ist das anders. Zwei Lichtteilchen mit bis auf die Position gleichen Eigenschaften sind einfach komplett gleich. Wenn ich ihre Position tausche, ändert sich gar nichts. Man kann sich das so vorstellen, dass beide Teilchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit an ihrer Ausgangsposition oder vertauscht sind. In der theoretischen Beschreibung bleibt die Wellenfunktion gleich, wenn man die Teilchen neu durchnummeriert. Bei zwei Elektronen ändert sich aber beim Tauschen das Vorzeichen der Wellenfunktion. Man nennt Teilchen, die sich beim Tauschen so verhalten wie Licht, Bosonen und Teilchen, die sich verhalten wie Elektronen, Fermionen.

Lange glaubte man, dass alle Teilchen im Universum entweder Bosonen oder Fermionen wären. Ab etwa 1990 setzte sich die Idee durch, dass es auch andere Sorten von Teilchen geben könnte: Teilchen, deren Wellenfunktion sich komplett ändert, wenn man sie austauscht. Man nannte diese Teilchen Anyonen. Sogenannte nicht-abelsche Anyonen sind Teilchen, bei denen es einen Unterschied macht, in welcher Reihenfolge man mehrere Teilchen miteinander tauscht. Sie sind besondere Hoffnungsträger beim Entwurf des Quantencomputers. In unserem normalen dreidimensionalen Raum können Anyonen allerdings nicht existieren. Ihre Existenz ist nur in zwei Dimensionen möglich. Das ist aber gar nicht so abstrus, wie es klingt. In der dünnen Schicht Graphit, die von Deinem Bleistift abgerieben wird, könnte durchaus das ein oder andere Anyon leben. Gefunden hat man Anyonen bereits in ganz dünnen Halbleiterplättchen bei hohen Magnetfeldern. Dort reagieren die Elektronen als kollektives Gesamtsystem und werden angeregt. Es ist in der Physik üblich, kollektive Anregungen als Teilchen zu beschreiben. Überhaupt verschwimmt die Grenze zwischen Teilchen und Anregung zum Beispiel bei Licht bei genauerem Hinsehen. In unserem besonderen Fall des „fraktionalen Quanten-Hall Effekts“ kann man eine Anregung der gesamten Elektronen gemeinsam als Anyon auffassen.

Die erstaunliche Idee des Physikers Alexei Kitaev ist nun, die Eigenschaften der Anyonen zu benutzen, um daraus einen Quantencomputer zu konstruieren. An der TU Braunschweig beschäftigt sich die Arbeitsgruppe von Professor Werner und Professor Ruschhaupt mit Quantencomputern und Quantenkryptographie. Sie benutzen die Eigenschaften von quantenmechanischen Systemen, um verbesserte Modelle von Computern und Informationsübertragung zu entwickeln. Unter anderem wurde hier ein Modell für die quantenmechanische Entsprechung von Zellularautomaten, einem Computermodell der Informatik, entwickelt.

 

Die Hütchenspieleranalogie erläutert das Phänomen der Ununterscheidbarkeit, das Fermionen und Bosonen zeigen: Die Eigenschaften der einzelnen Teilchen - hier Hütchen - sind gleichmäßig über alle Teilchen verteilt. Für jedes schnell bewegte Hütchen ist die Wahrscheinlichkeit , darunter die Kugel zu finden, die selbe.
 

 

Wir haben bereits an den Vertauschungseigenschaften gesehen, dass quantenmechanische Teilchen fundamental unterschiedlich von denen unserer anschaulichen Welt sind. Für die Quanteninformation spielt außerdem der Begriff der Verschränkung eine besondere Rolle. Zwei verschränkte Teilchen lassen sich nicht ohne Informationsverlust als einzelne Teilchen beschreiben, sondern nur noch als ganzes. Diese geteilte Information wird in der Quanteninformation als Ressource benutzt, um geheime Daten zu übermitteln oder leistungsfähige Quanten-Algorithmen zu entwickeln. Zum Beispiel ist es für einen normalen Computer eine sehr anspruchsvollen Aufgabe, eine Zahl in ihre Primfaktoren zu zerlegen, aber für einen Quantencomputer eine einfache. Die Verfahren, mit denen wir unsere E-Mails verschlüsseln, sind also nicht sicher gegen Quantencomputer. Allerdings können bis heute nur sehr kleine Quantencomputer mit wenigen Quanten-Bits wirklich gebaut werden. Eines der größten Probleme ist die Fehleranfälligkeit. Klar, dass derart winzige Teilchen wie ein einzelnes Elektron von den geringsten äußeren Einflüssen ständig verändert werden.


Hier kommen Anyonen ins Spiel: Das Besondere an Anyonen ist ja, dass sich der gesamte Zustand zweier Anyonen ändert, wenn man nur ihre Position tauscht. Eine Rechnung, die nur darauf basiert, in welcher Reihenfolge Teilchen ausgetauscht werden, ist also relativ fehlersicher. André aus Braunschweig hat sich in seiner Diplomarbeit mit diesem Thema beschäftigt. Da topologisches Quantencomputing mathematisch sehr anspruchsvoll ist, können viele Aussagen noch nicht allgemein bewiesen werden. Deshalb hat er für ein spezielles, vereinfachtes Modell untersucht, welche Rechenoperationen allein durch das Vertauschen von Anyonen möglich sind. In diesem Modell wird das volle Potential eines Quantencomputers nicht erreicht. Aber mit ein paar Tricks, z.B. einem Vorrat zusätzlicher normaler Quanten, konnte er zeigen, dass dies ein mögliches Modell für einen Quantencomputer ist. Heute schreibt er seine Doktorarbeit in der Quanteninformation in Braunschweig. Dass in näherer Zukunft ein Quantencomputer auf Basis von Anyonen gebaut wird, bezweifelt er, da es äußerst umständlich sei, die kleinen Plättchen für den fraktionalen Quanten-Hall-Effekt herzustellen. Auch das Vertauschen der Anyonen auf den Plättchen sei technisch unglaublich schwierig. Andererseits seien die Themen Anyonen und Quantencomputer aber neue und grundlegende Forschungsthemen, in denen noch vieles möglich ist.