Wenn die Demokratie versagt - Ãœber das "Mouvement anti-CPE" in Frankreich
So demokratisch geht es nicht in allen Gremien zu: Die französische Regierung unter Premierminister Villepin hat das Gesetz („Loi des égalités des chances“) in einem sogenannten „Artikel 49-3 Fall“ auf den Weg gebracht. Dieser Verfassungsartikel sieht grob gesagt vor, dass der Premierminister zu jedem Zeitpunkt einen Text ggf. auch ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung bringen und damit jede weitere Diskussion zu diesem Thema unterbinden kann. Der Text gilt als angenommen, wenn kein Einspruch erhoben wird. Im vorliegenden Fall fand die Sitzung ohne Vorankündigung (Eilentscheidung) um 2 Uhr in der Nacht vom 8. zum 9. Februar statt. Anwesend war immerhin ein Fünftel der Abgeordneten...
Eine Woche später findet in ganz Frankreich ein weiterer Aktionstag für die Aufhebung des erlassenen Gesetzes statt. Allein in Grenoble sind 60.000 Menschen auf der Straße. Über eine Million seien es insgesamt in Frankreich, geben die VeranstalterInnen bekannt, als der Demonstrationszug im Stadtpark ankommt, und die letzten Leute gingen jetzt erst am Bahnhof los. Im Demonstrationszug gewinnt man den Eindruck, als seien sämtliche SchülerInnen der Stadt auf den Beinen. Von den 50.000 Studierenden ist wahrscheinlich „nur“ jedeR dritte dabei – den Rest der Masse bilden ArbeiterInnen, Arbeitslose, Gewerkschaften, etc.. Aber im wesentlichen bleibt es die junge Generation, die mit lauten Sprechchören und vielen neuen Bedeutungen für CPE aufwartet. Von „Contre le Pouvoir Eliminatoire“ (gegen die eliminierende Herrschaft) bis hin zu Contract Premier Emmerde (Vertrag „Erste Scheiße“) geht die Spannweite. Und den jungen Menschen ist klar, dass es hier nicht „nur“ um die Aufhebung eines Gesetzes geht, um später unter „guten“ Bedingungen arbeiten gehen zu können: Im Zusammenhang mit dem CPE/CNE kritisieren sie auch immer wieder das verursachende Element: Den Kapitalismus.
Ob die Bewegung Erfolg haben wird, muss sich noch zeigen, aber ein weiteres Transparent gibt die Parole aus, dass „Utopie ist, wenn man glaubt, dass es so weitergehen kann“. Und so wird auf der Abschlusskundgebung Optimismus verbreitet, dass mensch kurz davor sei, das gemeinsame Ziel zu erreichen. Immerhin seien Ende März 69 von 84 Universitäten und ca. 1000 der 4300 staatlichen Oberstufenschulen mobilisiert, und vielerorts sind die Gebäude komplett blockiert. Umfragen nach unterstützen 2/3 der Franzosen die Bewegung, und de Villepins Regierung kommt wohl nicht umhin, das Gesetz zurückzuziehen – zumindest nicht, wenn sie sich demokratisch noch ernst nimmt.
Aktuelle Infos (französisch): http://www.stopcpe.net/